BEWUSSTSEIN

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Sein ist Gegenwart: ich bin, also zeitlich erlebt, im Augenblick, von dem aus allein sich Vergangenheit und Zukunft erschließen. Das heißt betrachten lassen, ohne daß es ein Vorgreifen oder Nachschleifen wäre.

Bewusstsein ist wie ein Stillstehen der Zeit. Da sich alle Zeitrhythmen in der Natur als Umläufe darstellen, ist dieser Mittelpunkt, um den sich etwas dreht, der ruhende Pol – der Augenblick, der mich mit der Wesensart des Zeitlosen verbindet; Gott ist der unendliche Augenblick.

Räumlich gesehen ist die Mitte des Kreises jener Punkt, von dem alle Orte der Peripherie gleich weit entfernt sind. Auch geometrisch ist eine gleichmäßige Beziehung zum Ganzen nur von der Mitte aus möglich. Bewusstsein bedeutet Mitte sein, von der aus alle Dinge gleich nahe liegen.

Der elfte Vers des «Tao Te King» lautet:

«Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:
in ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.»

Die Mitte eines Wagenrades ist die Leere, die von der Nabe umschlossen wird.
Dieser Mittelpunkt, der nicht Rad ist, ist dennoch jener, welchem dieser seine Tauglichkeit verdankt.
Alle Speichen weisen auf ihn hin oder gehen von ihm aus: Er schafft den eigentlichen intensiven Zusammenhang, obwohl er als Punkt keine Ausdehnung hat und im Nichts liegt. Wenn der Mensch wirklich im Bewusstsein ist, dann identifiziert er sich nicht mit dieser oder jener Begebenheit seines Schicksals oder einer besonderen Ausformung seiner Anlage, sondern mit der eigenschaftslosen, intensiven Energie, die das Rad zusammenfügt.

Was bin ich? Das ganze Rad, aber von der Mitte aus gesehen. In dem Maß, wie sich der Schwerpunkt meiner Bewusstheit in die Mitte verlagert, erfahre ich den Wer: erlebe ich Bewusstsein.

Wenn ich mich nun «in die Mitte werfe»
(Meister Eckehart), mein Wer in der Nabe
des Rades verankere, in diesem Nichts,
so bin ich niemals diese leere Mitte allein,
denn es gibt keine Nabe ohne Rad, sondern:
Ich bin das Nichts im Etwas